Hätte Gott ein Parfüm, es wäre ein Riesling von Prüm

Kein Termin steigert die Flexibilität (oder schränkt sie ein)

So akribisch wie ich meine Termine organisiere, so spontan kann ich auch sein. Sprich: als ich im Frühling an der Mosel war, hatte ich keine Termine. Ein Telefonat mit Desiree Schröder vom Weingut Dr. Loosen und schon wurde ich für eine Weinprobe erwartet. Mit dabei waren auch Kunden des Weinguts. Nach der Sortimentsprobe gab es ein Mittagessen. Gastfreundschaft und zusammen Spass haben –  Ernst Loosen macht eben nicht nur ausgezeichnete bis hervorragende Weine (Bericht folgt), er ist auch ein zuvorkommender Gastgeber.

Um Punkt drei Uhr musst Du dort sein

Noch vor dem Essen tauchte die Frage auf, was ich am Nachmittag machen würde. Tja… da hatte ich eigentlich nichts vor allerdings hätte ich gerne das Weingut von JJ Prüm besucht. Aber so kurzfristig? Ohne Termine wäre das wohl kein guter Plan, dachte ich. Kein Problem für Desiree Schröder; ein Anruf bei Petra Pahlings und schon steht der Termin fest. Desiree schaut mich mit einem strengen Blick an (das kann sie seeeeehr gut) und meinte zu mir: «Du musst um PUNKT drei Uhr dort sein. Frau Prüm hat nur eine Stunde zur Verfügung und sie mag Pünktlichkeit. » Ich eigentlich auch… aber meistens bin ich pünktlich verspätet… Das Risiko, mehrere Damen zu ärgern, wollte ich nicht eingehen.

Mit einem vom Erdener Treppchen verführten Gaumen fuhr ich nun zu JJ Prüm. Mir wurde klar, ich wusste gar nicht, was mich erwarten würde. Die Tatsache, dass ich Petra Pahlings über eine Weingruppe kenne, beruhigte mich. «Pünktlich um drei musst Du dort sein». Schon wieder sah ich das drohende Gesicht von Frau Schröder vor mir… Brrrrrrr! Zehn Minuten vor Drei stehe ich vor dem Weingut. Eine einfache, schlichte Plakette bestätigt es: Weingut JJ Prüm. Hier bin ich also richtig. Es ist aber zu früh,  daher fotografiere ich den zutiefst rührenden Hang vor mir. Welch eine Gewalt der Natur, welch eine Schönheit. Ich bin gerührt. Ja, so bin ich… die Wunder der Natur rühren mich zu Tränen. Nun sind es weniger als zwei Minuten vor drei. Ich öffne das Tor und laufe langsam bis zum Haupteingang. Noch 30 Sekunden. Die Dorfkirche tickt wie eine Schweizer Uhr. Sie schlägt genau drei Mal und beim dritten Ton klingle ich. Ich überlege, ob ich beim ersten oder dritten Ton hätte drücken müssen, aber vielleicht merkt es niemand. Schrecksekunde… die Klingel geht nicht! Oder doch? Wie auch immer, man öffnet die Tür, und schon stehe ich mit einem Fuss in einem der berühmtesten Weingüter Deutschlands.

Beckustator und 10 Flaschen JJ Prüm

Man bittet mich, im Salon Platz zu nehmen; da stehen mindestens zehn Flaschen bereit. Ich bin erleichtert, denn an diesem Tag werde ich ganz bestimmt nicht verdursten. Ich allein mit 10 Flaschen und einem Glas. Ich beherrsche mich und warte ganz brav. Nach nur kurzer Dauer betritt Frau Prüm den Raum. «Na, die sieht aber sehr nett aus», denke ich spontan. Es kann nur gut kommen. Herzlich begrüsst sie mich und erzählt von dem Weingut das aus einer Erbteilung 1911 hervorging. Daher gibt es verschiedene Prüm-Weingüter, eines eben mit den Initialen „JJ“. Ihr Mann, der ursprünglich Jura studiert hatte, führt das Weingut in der dritten Generation. Als sein Vater 1969 verstarb, übernahm er die Leitung des Weingutes, die er sich heute mit seiner ältesten von drei Töchtern, Katharina, teilt. Das Motto der Familie: Man soll hier machen, was am besten geht, sprich Riesling! Alles wird spontan vergoren.

Damit wusste ich nun das Wichtigste. Mir war nur nicht ganz klar, wie ich mind. 10 Weine innerhalb von 30 Minuten verkosten und beschreiben sollte. Ich dachte für mich: Naja, mach was du kannst, anhand der guten Atmosphäre bist du eh nicht zum letzten Mal hier. Der erste Wein war ein «Graacher Himmelreich Kabinett 2014». Schon da hatte ich Mühe, ruhig sitzen zu bleiben. Ich verkostete und schrieb meine Empfindungen nieder. Dann unterhielt ich mit Frau Prüm und sagte ihr, wie begeistert ich von diesem Hang sei, der da gleich vor der Türe steht. Sie war sichtlich erfreut und wollte natürlich auch einiges von mir erfahren. Dann war der zweite Wein dran. Diesmal eine Wehlener Sonnenuhr Kabinett 2014. Intensiv, elegant, komplex. Es war 15h55. Ich war gerade Mal dabei, den zweiten Wein einer langen Serie zu beschreiben. Ich sah schon die Schlagzeile in der nächsten Ausgabe: «Yves Beck» hat das Weingut JJ Prüm» besucht. Lesen Sie seinen ausführlichen Bericht mit detaillierten Notizen über zwei Weine… Ja wenn es nur zwei sind, muss ich einfach eine lange Verkostungsnotiz schreiben. Aber wie um Gottes willen soll ich zwei Seiten damit ausfüllen. Viel mehr als die Tatsache, dass der Wein bemerkenswert ist, kann ich ja nicht schreiben!

2014er Serie

100er Skala explodiert beinahe…

Nun unterhielten wir uns über unsere Familien. «Wir haben Enkelkinder», sagt Frau Prüm voller Stolz und mit einem Blick, der tausend Worte ersetzt: Sie hat sie sehr lieb. Ich erzähle auch von meiner Familie, von meiner Tochter, die bald 18 wird, von meiner norddeutschen Frau, die aus Jever kommt… Ich traue mich kaum, auf meine Uhr zu schauen. Es könnte ja für meine Gastgeberin ein Hinweis sein, dass es schon nach drei ist. Ein kurzer Blick bestätigt meine Annahme. Viertel nach! Und ich sitze immer noch da. Wein Nr. drei wird eingeschenkt. Jetzt bloss nicht mehr auf die Uhr schauen. Konzentration. Graacher Himmelreich Spätlese 2014. Mein Gott, ist das Ding genial! Wenn es weiter so geht, explodiert meine 100er Skala und ich muss eine Sonderregelung für JJ Prüm kreieren, die in etwa so ausschaut: Der Wein verdient 107 Punkte. Also gibt es 97 +10 Punkte Bonus dazu. Oder so. Nun ist es noch nicht so weit. Ich bewerte den Wein mit 94 Punkten. Da habe ich noch ein klein wenig Luft! Von der Graacher Himmelreich Spätlese folgten noch die Jahrgänge 2012 (94/100) und 2009 (93/100).

Nach der letzten Flasche kommt die erste Flasche

Auf einmal war die Zeit kein Thema mehr. Es wurde zeitlos im Raum, so wie die Weine von JJ Prüm. Nachdem wir den letzten Wein verkostet hatten, sagte ich Frau Prüm, ich würde eine spannende Übung kennen die darin besteht  den ersten Wein erneut zu verkosten und zu prüfen, ob man den immer noch gleich angeht. Sie schaute mich zwar etwas skeptisch an, ging aber auf den Vorschlag ein. Ja, der Sprung von einer 2003er Goldkapsel Himmelreich Auslese zum Kabinett ist keine Selbstverständlichkeit, aber der Wein zeigte genau das, was ich erwartet hatte; er machte problemlos mit. Frau Prüm war ersichtlich begeistert und ich sagte zu ihr: Sehen Sie, Frau Prüm, daran erkennt man die Grösse eines Weines. Er muss einfach solche Sachen mitmachen können. Da das Experiment durchaus positiv war, entschieden wir uns dafür, die anderen Weine auch nochmals zu verkosten. Irgendwann während der Probe hatte ich dann das grosse Vergnügen, Herrn Prüm persönlich kennen zu lernen. Seine Frau sagt ihm gleich: Herr Beck hat mir eine spannende Variante der Weinprobe gezeigt: Nach dem letzten Wein verkostet er nochmals den ersten. Amüsiert schaute Herr Prüm seine Frau an und meinte zu ihr: Das sag ich doch schon die ganze Zeit, aber du wolltest es mir nicht glauben.  Paare sind eben Paare und wir konnten alle drei über diese Situation lachen. Das Weingut verliess ich um 18h30. Für ein paar Stunden war die Zeit stehen geblieben. Für den liebevollen, spannenden, unterhaltungsreichen und aussergewöhnlichen Nachmittag möchte ich mich bei Frau Prüm und ihrer gesamten Familie herzlichst bedanken. Wenn ich darf, komme ich gerne wieder. Ach ja, bevor ich es vergesse: Die Weine waren sehr gut. Ich habe es immerhin auf 10 Verkostungsnotizen geschafft.

Verkostungsnotizen

Graacher Himmelreich Kabinett 2014

Blasses Gelb mit Grünreflex. Elegantes, frisches und subtiles Bouquet; blumiger Charakter. Erfrischender und leicht prickelnder Auftakt, lebhaft und fruchtig mit Melonen und Erdbeeren. Feiner und charmanter Gaumen mit stützender Struktur; welch eine Harmonie! Ein rührender und etwas rassiger Wein mit langem und elegantem Nachklang. Braucht noch etwas Zeit. 2020-2035  92/100

 Wehlener Sonnenuhr Kabinett 2014

Helles Gelb mit Grünreflex. Recht intensives Bouquet. Würzig, dann leicht exotische Noten. Kernobst, Aprikosen, Brombeeren. Eleganter, fruchtiger und frischer Auftakt. Der Leitfaden dieses Weines ist die Finesse und die Balance. Dank ausgezeichneter Symbiose zwischen Struktur, Frucht und eleganten Bitternoten im Abgang jede Sekunde ausgewogen. Ein bemerkenswerter, rassiger Wein. 2020-2039  93/100

Graacher Himmelreich Spätlese 2014

Blasses Gelb mit leichtem Grünreflex. Vielschichtiges und subtiles Bouquet. Minze, frischgebackenes Brot und Curry. Rassiger und fruchtiger Auftakt, erfrischender und leicht spritziger Charakter. Auch hier stehen Finesse, Leichtigkeit, Frische und Struktur im Fokus. Sehr groß. Warten. 2020-2039  94/100

 Graacher Himmelreich Spätlese 2012

Helles Gelb mit Grünreflex. Ausladendes, komplexes Bouquet. Würzig mit etwas Curry, Zitrusfrüchten, mineralischen Noten wie Graphit. Eleganter, fruchtiger und imposanter Auftakt. Der Körper bestätigt die Versprechen der Nase und des Auftakts. Er ist cremig, intensiv und verfügt über eine gute Bitterkeit, die im Einklang mit der Frucht steht. Letztlich verleiht die Struktur die notwendige Muskulatur für die kommenden Jahrzehnte… wobei der Wein eigentlich schon bald zugänglich wird sein… für eine längere Zeit! 2018-2044  94/100

Graacher Himmelreich Spätlese 2009

Helles Gelb mit Grünreflex. Tiefgründiges Bouquet mit klassischen Düften wie Petrol und Graphit. Es treten auch Noten von frisch gebackenem Brot, Quitten und Kreide auf. Fruchtiger, charmanter, aber auch frischer Auftakt. Leicht würzig. Ausgezeichnete Balance zwischen Süße, Struktur und Bitterkeit. Langer und intensiver Nachklang. Der Wein ist fit und in Topform! Jetzt bis 2029  93/100

Bernkasteler Badstube – Auslese 2007

Helles Gelb. Vielschichtiges Bouquet, würziger Charakter. Kreuzkümmel, Curry, Petrol, Feuerstein und etwas Zeder. Der Auftakt wirkt fruchtig und erfrischend. Leicht salzige Noten. Intensität und Eleganz ergänzen sich gegenseitig und sorgen für eine perfekte Balance. Langer Nachklang. Ein großartiger und rührender Wein. Jetzt bis 2042  96/100

Wehlener Sonnenuhr Auslese 2007

Helles Gelb mit Grünreflex. Vielschichtiges Bouquet, fruchtig und würzig. Mandarinenschale, kandierte Früchte und Mandeln. Charmanter aber auch kräftiger Auftakt. Der Körper ist cremig, breit und bestens ausgewogen. Welch ein großer Wein, der noch am Beginn seiner Laufbahn steht. Emotionen pur! Respekt. Jetzt bis 2042  95/100

Wehlener Sonnenuhr Auslese 2004

Mineralisches Bouquet, intensiver und eleganter Charakter. Feine Noten von Graphit und Zitrone. Auch der Gaumen wirkt sehr komplex. Der Wein wirkt elegant, sehr angenehm und strukturiert. Es ist auch was Fragiles dabei, mit sehr viel Finesse. Ich schwanke zwischen Traum und Realität… vermutlich ist es beides! Jetzt bis 2029  93/100

Wehlener Sonnenuhr Auslese 2003

Mittleres Gelb. Intensives und komplexes Bouquet mit fruchtigen Noten und etwas Jod. Welch eine Intensität und Grazie. Dieser Wein schafft es doch tatsächlich Kraft und Finesse zu einigen. Ein sehr ausgewogener Wein mit angenehmer Adstringenz am Ende des Gaumens. Sehr langer und fruchtiger Nachklang mit Mirabellen, Mangos und Honig. Jetzt bis 2025  92/100

Graacher Himmelreich Auslese – Goldkapsel 2003

Helles Goldgelb. Berauschendes Bouquet mit Zitrusfrüchten, Feuerstein, Safran und etwas Pfeffer. Nach einigen Minuten treten pfefferige und blumige Noten auf. Ich empfinde auch den Duft von kalter Asche. Der Auftakt ist kräftig, elegant, charmant und erfrischend dank einer lebhaften Struktur. Welch eine Dichte, welch eine komplexe Gaumenaromatik. Der Wein ist ausgewogen und weist mineralische Noten sowie eine verlockende Art auf. Letztendlich wirkt die vorhandene Adstringenz ausgleichend. Sehr langer Nachklang. Ein Wein, der noch genügend Atem hat für ein paar Jahrzehnte, auch wenn es ein 2003er ist! Jetzt bis 2036  96/100

Kontakt

Weingut Joh. Jos. Prüm
Uferallee 19
D-54470 Bernkastel-Wehlen

Fon: +49 6531 – 3091

Web: www.jjpruem.com
Mail: info@jjpruem.com