Bordeaux Primeurs 2016 – Einzigartig

Bordeaux Primeurs 2016: Einzigartiges Jahr

Die Tradition will es, dass jeder Jahrgang eine Art «Eigenschaftswort» von Weinkritikern/Journalisten erhält… Jahr für Jahr taucht aber die gleiche Frage auf: An welchem Jahrgang erinnert Sie der aktuelle Primeurs Jahrgang? » Der Vorteil vom 2016er liegt darin, dass es sowas noch nie gegeben hat… Bei praktisch jedem Besuch hiess es «sowas haben wir noch nie gesehen! » Jeder Jahrgang hat seine eigene Geschichte und jeder Jahrgang ist einzigartig, aber 2016 ist einzigartiger… denn es ist definitiv :

« Kein Déjà-Vu »

Es ist Mitte Oktober 2016. Ich führe eine „Wein-Tour“ in Bordeaux durch mit einer Gruppe von Kunden. Mir geht es gar nicht darum, die Ernte zu beobachten (deswegen sind wir auch erst jetzt angereist), sondern Weingüter zu besuchen. Parallel zu den Besuchen verkoste ich die «Arrivages» 2014 (der neusten Weine aus dem gerade abgefüllten Jahrgang). Ich habe vor, etwa sechs Wochen im Bordeaux zu verbringen.

Michel Rolland ist einer der ersten, der mit mir über 2016 spricht. Er sagt, «sowas haben wir noch nie gesehen, es könnte eins der größten Jahrgänge seit 1982 sein. » Die darauffolgenden Monate geben ihm zum grössten Teil recht mit seiner Einschätzung. Klar, er kommt aus dem Bordeaux und klar ist es legitim zu denken, dass er den Jahrgang promoten will. Aber eigentlich möchte man ihm vor allem glauben, denn seine Augen glänzen, er ist aufgebracht, fasziniert und er ist schon seit 40 Jahren dabei… zusammengefasst ist er glaubwürdig! Und dann fügt er noch hinzu: «Weisst Du, Mitte Juni zogen wir alle zusammen ein langes Gesicht». Mit Recht, denn es sah so ziemlich nach einem «Remake» von 2013 aus. Die Stimmung war im Eimer, oder in diesem Fall noch expliziter: weit unten im Stahltank.

2016, bemerkenswerter Jahrgang

Das « institut des Sciences de la Vigne et du Vin de l’Université de Bordeaux » (ISSV) schildert die notwendigen Voraussetzungen, die zum Erfolg eines Rotwein-Jahrganges führen:

  • eine relativ schnelle sowie homogene Blüte und Fruchtbildung unter einem genug warmen und dabei nicht zu feuchten Klima, um eine gute Befruchtung und eine gleichmäßige Reife zu gewährleisten.
  • einen schrittweise auftretenden Wassermangel dank eines heißen und trockenen Julis, der zuerst das Wachstum ausbremst und dann, spätestens zu Beginn der Reifezeit, einstellt
  • eine vollständige Reifung der verschiedenen Rebsorten dank genügend Trockenheit, aber keine übermäßige Hitze im August und September.
  • schönes und warmes Wetter mit nur wenig Niederschlägen während der Erntezeit, damit die optimale Reife der einzelnen Parzellen erreicht wird, ohne Gefahr von Fäulnis oder Minderung von fruchtigen Aromen.

Im Gegensatz zu dem, was man Mitte Juni befürchten konnte, sind alle obengenannten Kriterien von der Natur eingehalten worden, aber nicht wirklich in derselben Weise wie gehabt!

Drei Monate exzessive Niederschläge

Während das Jahr 2015 in ein besonders trockenes und sonniges Klima mündete, begann 2016 mit drei Monaten Regen, die zu einer Kumulierung von 500 mm führten, im Vergleich zu einem Durchschnitt von 230 mm in den letzten 30 Jahren. Zur gleichen Zeit und trotz grauem und regnerischem Klima, blieb die Temperatur um 2 ° C höher als üblich in dieser Jahreszeit, was dazu führte, dass 2016 als der mildeste Winter seit Beginn der Messungen gilt.

Tagsüber wurden keine negativen Temperaturen gemessen und es wurden nur fünf Frosttage registriert. In diesem Kontext fielen die ersten Anzeichen einer vegetativen Aktivität (angeschwollene Knospen) auf und das ließ eine extreme Frühreife befürchten. Anschließend normalisierten sich aber die Temperaturen, die sogar während der zweiten März Dekade eher unter dem Durchschnitt blieben.

Durch die niedrigen Temperaturen im März und die Durchnässung der Böden infolge schwerer Regenfälle, wurde das Austreiben verzögert, so dass die ersten Knospen in der letzten Märzwoche aufblühten. Das war zwar früher als in 2010, aber beispielsweise später als 2014.

Unverhofft trockenes Wetter während der Blüte

Die niedrige Blattfläche einiger Reben lassen Verrieselungen wie im Jahr 2013 befürchten. Die ersten Blüten erscheinen Ende Mai. Ab dem 3. Juni und bis zum 11. Juni setzt sich ein trockenes und heißes Wetter fest. Auf den Referenz-Grundstücke erfolgt die Mitte der Blüte am 11. Juni (acht Tage später als im Durchschnitt der letzten zwanzig Jahren.) Nochmals acht Tage später werden homogene Trauben mit einer höheren Anzahl an Beeren als normal beobachtet, was eine erfolgreiche Befruchtung bestätigt.

Trockener und warmer Sommer

Etwa Mitte Juni lässt ein letztes, regnerisches Wetterfenster Komplikationen wegen Kleinbeerigkeit (Trauben mit Beeren verschiedener Größen und unterschiedlicher Reife) entstehen. Nach diesen letzten, verregneten Tagen erfolgt jedoch der Beginn eines heißen und trockenen Sommers, was das Wachstum der Beeren fördert. Ende Juni sind die Weinbeeren etwa so groß wie Erbsen. Das ausgezeichnete Wetter von Ende Juni setzt sich fest und dauert über Juli bis August an, was einen dauerhaften Wasserstress auslöst. Das hat zufolge, dass die Reifung (Färbung der Beeren) verlangsamt wird. Eine wesentliche Änderung der Farbe wird Anfang August beobachtet.

Bei der Mitte der Reifung wird der Wasserstress noch deutlicher und entspricht dem von 2010. Im August ist die Sonneneinstrahlung außergewöhnlich und übertrifft die Norm um 30%, während die Temperatur 5°C über dem Durchschnitt liegt. Jedoch sind die Nachttemperaturen etwas niedriger als sonst und somit wird der Verlust von Säuren und Aromen verhindert. Gleichzeitig beginnt der Stress vom Wassermangel exzessiv zu werden.

Die Zahl 13 kann auch Glück bringen!

Ende August werden erste Symptome von Verbrühungen (Verbrennung der Beeren durch die Sonne) festgestellt an Orten, wo übermäßige Laubarbeiten durchgeführt wurden. Das führt natürlich dazu, dass die Gefahr eines Reifungsstopps wächst. Anfang September ist es mit einer durchschnittlichen Temperatur von 30°C bis 32°C noch kritischer. Die 13 ersten Tage des Monats September sind die heißesten seit 1950!

Der 13. September 2016 ist aber ein Glückstag. Ende nachmittags breitet sich eine Gewitterlinie vom Baskenland Richtung Bordeaux aus. Über Nacht beginnt es zu regnen, mit unterschiedlicher Intensität je nach Region. Der Niederschlag dauert drei Tage und bringt bis zu 40mm Wasser. Ab dem 20. September übernimmt wieder die Sonne, zur Freude der Ernter.

Entspannte Weinlese

Mutter Natur hat die Dinge wieder optimal gerichtet; die Weinlese konnte in einer entspannten Atmosphäre erfolgen und verteilte sind auf mehrere Wochen. Optimale phenolische Reifen konnten erzielt werden und das Endergebnis ist überzeugend. Die Weine sind von Frische und Struktur geprägt sind und die großen Terroirs konnten sich auf besonderer Weise hervorheben. Das fällt beispielsweise besonders auf dem Plateau calcaire von St-Emilion oder in Pauillac und St-Estèphe auf.

 Großes bis sehr Großes Jahr

JA, 2016 ist ein großes, sogar sehr großes Jahr, denn es wurden folgende Kriterien erfüllt:

  • Große Weine in allen Regionen
  • Hervorragende Balance
  • Von Frische und gesundem Tannin geprägte Weine
  • Die Weine lassen sich jetzt schon sehr gut verkosten (ein großer Wein ist immer gut, vom Anfang an)
  • Ob klein oder groß, berühmt oder unbekannt, alt oder modern: alle Weingüter haben Große Weine gekeltert, unabhängig von der Klassifizierung und von der Region
  • Die Zweitweine sind von seltener Qualität

Besonders hervorheben möchte ich, dass es weder ein Jahrgang vom rechten oder vom linken Ufer ist; es ist ganz einfach ein großes Bordeaux-Jahr!!!

Über 1000 Fassmuster verkostet

Einigen entgeht es sicher nicht, dass gar nicht so viele Weine «En Primeur» angeboten werden; Diese Zahl zeigt jedoch mehrere Wahrheiten; einige Proben wurden an mehreren Orten in verschiedenen Kontexten mehrfach verkostet. Darüber hinaus bevorzuge ich im Idealfall Verkostungen auf dem Weingut. Ein Teil meiner Zeit ist für den Besuch der weniger bekannten Weingütern vorbehalten, denn alle guten Weine verdienen es, entdeckt und bekannt zu werden.

Letztendlich sind es mehr als 600 Weine, die in meinem Primeurs Bericht erscheinen. Alle Verkostungsnotizen sind online verfügbar. Mit der Anmeldung, ein Jahresabonnement für die bescheidene Summe von €79,00, erhalten Sie pro Jahr 6 digitale Zeitschriften mit Sonderthemen zu Bordeaux, Primeurs, Burgund, Schweiz und Deutschland. Sie erhalten auch einen unbegrenzten Zugriff auf die Datenbank (Inklusiv der Primeur-Notizen). Mittelfristig wird die Datenbank von www.yvesbeck.wine mehrere zehntausende Verkostungsnotizen beinhalten.

Dank:  Ich danke dem Institut des Sciences de la Vigne et du Vin de l’Université de Bordeaux (ISSV), dessen ausführlichen Erläuterungen die Hauptquelle meines Berichtes bilden.

Beispiel von Verkostungsnotizen, die in der Datenbank aufgeführt sind

Château Les Carmes Haut Brion 2016
41% Cabernet Franc, 20% Cabernet Sauvignon, 39% Merlot
Sattes Granat mit Violettschimmer. Komplexes, kräftiges, rührendes Bouquet! Herrliche olfaktorische Dichte, die über alle notwendigen Komponenten zur Proklamation eines großen Weines verfügt. Würzige und fruchtige Noten mit Johannisbeeren, Cassis, Veilchen und Päonien. Der Auftakt ist dicht, fein und fruchtig. Der Körper ist sensationell ausbalanciert und kann die vorhandene Rasse mit viel Feinheit einrahmen. Ein Art Monster, das mit einem Skalpell umgehen kann. Nicht die Kraft stellt diesen Wein auf dem Olymp der großen Weine, sondern seine Fähigkeit, alle Elemente zu verwalten. Das Tannin tritt langsam am Gaumenende auf. Es ist graziös, fein und bestens eingebaut. Langer Abgang und anhaltender Nachklang. Ein bemerkenswerter Wein, der das Zeug hat, eine Legende zu werden.  2024–2065  98–100/100

Château d’Aiguilhe 2016
85% Merlot, 15% Cabernet Franc
Purpur mit Violettschimmer. Recht intensives Bouquet, würzig und fruchtig mit Düften von Brombeeren und Heidelbeeren. Angenehmer und erfrischender Auftakt. Der Wein ist saftig, fruchtig, lebhaft aber auch ausgewogen. Gute Gaumenaromatik mit stützender Struktur. Ein charaktervoller Wein mit Eleganz und Frische. Langer Nachklang.  2022–2038  92–94/100

L’Eglise-Clinet 2016
90% Merlot, 10% Cabernet Franc
Tiefes Purpur. Berauschendes, komplexes Bouquet mit nach und nach auftretenden Düften. Sehr viel Finesse. Granatäpfel, Himbeeren, Preiselbeeren und etwas Pflaume. Es treten auch Noten von Süßholz und schwarzem Pfeffer hinzu. Welch eine schöne Nase! Der Auftakt ist elegant, seidig, dicht. Cremiger Körper mit bemerkenswerten Tanninen, die im letzten Teil des Gaumens auftreten. Mit der Struktur bilden sie eine beachtliche Symbiose und ein Rückgrat für die Zukunft. Ein Geschenk der Natur, ein Ausnahmewein.  2025–2065  99–100/100

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